Ist Kirche der neue Voldemort?

Als sich der Facebook-Konzern nach einer Menge Kritik vor zwei Jahren in Meta umbenannte, erschien auf irgendeinem christlichen Memes-Kanal eben das: Ein Meme. (Nebenbei, es erschien auf Twitter, man hörte davon, dieses Netzwerk heißt jetzt auch irgendwie anders.) Das Meme drehte sich darum, dass Kirche ja auch umbenannt werden könnte und auf dem Bild präsentierte Mark Zuckerberg das neue Logo: „Kircha“. Das ist sehr nah am Original – und wie bei jedem guten Witz steckt ein Funke Wahrheit darin.

Ein Gedanke lässt mich dabei seitdem nicht mehr los. Müssten wir uns nicht wirklich von diesem schwierigen Begriff trennen? Vielleicht auch gerade im Fresh-X-Bereich? Ja, natürlich, Kirche bedeutet eben allerlei Gutes und der Begriff kann tatsächlich für sehr viel Verschiedenes und Gutes stehen. Sandra Bils hat das in einem sehr hörenswerten Worthausbeitrag herausgearbeitet.

Aber genau da liegt auch das Problem: Der Begriff Kirche ist derart mit Bedeutung aufgeladen, dass er geradezu missverstanden werden muss. Das hat auch damit zu tun, dass die Kirchen selbst daran gearbeitet haben – und zwar schon sehr lange und je nach Kirche im Sinne der jeweils eigenen Organisation, dass der Begriff mit Bedeutung aufgeladen ist.

Der Fachbegriff für das, was passiert, wenn im Kopf ein gehörtes Wort verarbeitet wird, ist das englische Wort Frame, zu Deutsch „Rahmen“. Es geht also um einen Deutungsrahmen, der Bilder, Gefühle, Erinnerungen und auch Vorurteile umfasst. Und der ist eben bei allen anders: „Erdbeere“ kann bei den einen quasi den Sommer in den Kopf zaubern, bei anderen die Erinnerungen an den schlimmsten Juckreiz und Allergieschub des Lebens.

So auch Kirche, wie ebenfalls Sandra Bils in einer Folge von „Karte & Gebiet“ sehr schön dargelegt hat. Verbunden mit der Frage, wer eigentlich legt fest, was Kirche ist und was nicht?

Was also tun? Ist „Kirche“ der neue Lord Voldemort und der Name sollte besser nicht ausgesprochen werden? Jesus hat schließlich keine Kirche gegründet. Er wurde als Jude geboren und starb als König der Juden.

Oder muss nicht sogar mehr darüber gesprochen werden? Müssen die alten Kirchenbilder nicht noch aktiver aufgebrochen werden? Es würde sich lohnen, diesen Kampf aufzunehmen und nicht die Deutung denen zu überlassen, die an den alten Bildern festhalten wollen. Vielleicht geht es genau darum, wenn Jesus im Tempel die Tische der Wechsler und Händler umwirft: Eine Neubestimmung des Inhalts und nicht des Namens.

Der Weg zum Himmel

Hinter der Kirche endet das Dorf. Früher endete hier die Welt.

„30 Gottesdienstbesucher“, wird der alte Herr sagen und dass es lange einen Pastor gab. Er wird einen Namen murmeln. Und dass da immer offenes Haus war, wird er auch sagen.

Als ich die Metallpforte zum Friedhof öffne, hat er mich schon lange gesehen. Ich ihn auch, im Augenwinkel. Er schiebt sein Fahrrad mit der daran festgebundenen Harke am Zaun entlang. Ein Hinweisschild an der Kirche sagt, wenn die Kirche einmal verschlossen sein sollte, erreichen sie den Küster unter der Nummer soundso. Rein huschen, nur einen Spalt öffnen. Tür wieder zu. Eine schöne leere Kirche mit Stühlen. An diesem abgelegenen Ort gibt es echte Stille. Sie lässt die Ohren rauschen.

Vielleicht haben die Jahre am Grenzzaun Sicherheit gegeben, Sicherheit, dass keiner kommt. Da kann die Tür ruhig offen bleiben. Oder war es Trotz? Wenn die Grenze schon zu war, dann blieb wenigstens der Weg zum Himmel offen. Als ich aufbrechen will, kommt er. Das ist jahrelang geübt.

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Kunst und Geist und Auferstehung

Rund 30 Kirchenleute auf Klassenfahrt stapfen im Herbst 2019 durch Halberstadt. „Tapfer schrumpfen“ war unsere Konventsfahrt überschrieben. Der Weg führte an alten Mauern entlang, über Kopfsteinpflaster, mitten durch das jüdische Viertel und über jüdische Friedhöfe. Stille Mahnmale kollektiver Schuld und des Versagens der Kirchen im Nationalsozialismus.

Links in der beginnenden Abenddämmerung sozialistischer Plattenbau und rechts immer noch alte Mauern. Ein Tor, so groß, dass Gespanne mit Bergen von Heu und Stroh hindurch rumpeln können. Ein überraschend riesiger Hof nach all den engen Gassen des Tages. Und im Abendlicht ein Baum auf dem riesigen Hof und eine Kirche, die vor dem leeren Platz erstaunlich klein wirkt.

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Augenblick und Gegenwart

Mitten im Hamburger Schanzenviertel steht seit 1970 das Jesus Center. Zum Schulterblatt hin öffnet das Café Augenblicke seine Türen. Dort haben wir es immer wieder mit Menschen zu tun, die schwere Lasten mit sich herumtragen. Neben heißen Getränken, Lebensmitteln und sehr günstigem (1,50 Euro) und an manchen Tagen kostenlosem Mittagessen ist das Zuhören vielleicht das wichtigste Angebot, das wir unseren Gästen machen können.

Vor einigen Tagen hat mich K. dabei gelehrt, was Vergebung bedeutet. Er ist Anfang 50 und lebt mal wieder auf der Straße.
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